(Ich weiß, ich bin spät, sorry.)
Also, nach einer etwas unruhigen Nacht, Leute, die unter meinem Fenster rumlärmen, eine Kirchturmuhr, die jede Stunde schlägt und schlussendlich der Raucherhusten meiner Mutter um 5.22 Uhr. Ich war hundemüde und hellwach. Aber ich hätte sowieso um sechs aufstehen müssen. Ich habe meditiert, etwas
Gymnastik gemacht und
Morgenseiten geschrieben. Ich habe meine wirklich engen schwarzen Jeans und mein geblümtes, gerüschtes braunes Top mit dem
neuen BH angezogen und Make-up aufgetragen. Dann ging ich nach unten und hatte ein typisch deutsches Hotelfrühstück. Bäh! Okay, es gab sogar Tee, aber das war die Sorte, bei der ich lieber Kaffe trinke (und ich mag Kaffee überhaupt nicht). Beim Frühstück musste ich schon gleich wieder in Panik ausbrechen, weil ich offensichtlich die Einzige von der ganzen Hochzeitsgesellschaft war, die noch nicht Zähne geputzt und Koffer gepackt hatte. Also sauste ich nach oben, putzte, trug Lippenstift auf und packte, sauste wieder nach unten und bezahlte mein Zimmer. Unterwegs traf ich meine Mutter. Ich hatte schon gedacht, die anderen wären ohne mich losgefahren und hätten mich ohne Transportmöglichkeit zurückgelassen. Aber dann entdeckte ich das Auto meiner Eltern, packte meinen bescheidenen Rucksack auf ihren enormen Koffer in den Kofferraum und dann - warteten meine Vater und ich auf meine Mutter.
Ich verspürte sofort ein Gefühl großer Vertrautheit. Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, fing jede Autofahrt so an. Letzten Endes kam sie noch und obwohl wir ein bisschen spät dran waren, kamen ein oder zwei Gäste sogar noch nach uns. Wir trafen uns wieder bei der Wohnung meiner Schwester und fuhren in einer Karawane aus drei Autos los. Alles wurde auf Video festgehalten und vier Leute haben fotografiert.
Das Standesamt befindet sich in einem wirklich schönen alten Teil des Rathauses. Die Standesbeamtin, die die Zeremonie abhielt, war nicht sehr inspirierend, aber die Umgebung schon.
Meine Schwester war sehr abgeklärt und wies alle Zeichen der Aufregung bei sich oder ihrem Gatten in spe weit von sich, obwohl mir beide etwas angespannt vorkamen. Dann, nach etwa der Hälfte der Zeremonie, sah ich dieses halbe Lächeln auf ihrem Gesicht. Es sah so aus, als wäre sie leicht amüsiert, aber ich kenne sie besser: Es verbirgt die Tatsache, dass sie so gerührt ist, dass sie fast in Tränen ausbricht. Was sie aber nicht tat (emotionale Ausbrüche werden in unserer Familie nicht gerne gesehen.)
Danach gab es eine Fülle von Umarmungen und Fotos, Glückwünsche und dann zog die Schwiegerfamilie den Sekt aus der Tasche. Da meine Schwester in einer Bücherei arbeitet, die dem Standesamt genau gegenüber liegt, kamen alle Bibliothekare herausgeströmt und wir hatten einen kleinen Stehempfang mitten auf dem Rathausplatz.
Da war sie nun, meine kleine Schwester, verheiratet. Und ich mag meinen Schwager sehr. Und sie hat ihren Namen geändert! Wer hätte das gedacht! Sie sagte, sie wollte nicht permanent eine Kopie ihrer Heiratsurkunde in der Tasche mit sich herumtragen, so wie ich, nur um beweisen zu können, dass sie mit ihrem Mann verwandt ist. Und wenn sie schon einen Namen haben muss, den man immer buchstabieren muss, dann lieber mit fünf als mit neun Buchstaben.
Die beiden sahen sehr süß aus, nur milde aufgerüscht, sie in Hosen, die keine Jeans sind, und er tatsächlich in einem echten Hemd (Leihgabe seines Vaters). Ich glaube, die Mütter waren ein bisschen traurig, dass alles so wenig elegant war. Meine Schwester trug nicht einmal Make-up, weil es so heiß war, dass alles binnen Sekunden schmolz. Aber jedes Bedauern und alle Gedanken wie “Wir hätten daraus eine richtige Hochzeit machen sollen.” lösten sich auf, als wir das nächste Pärchen vor dem Standesamt sahen. Sie waren völlig korrekt gekleidet, mit dem weißen Kleid, dem dreiteiligen Anzug, alle in Abendkleidung und die Frauen waren offensichtlich alle noch vor sieben Uhr morgens beim Friseur gewesen. Aber alle sahen irgendwie unglücklich und angespannt aus. Da waren wir sehr erleichtert, dass wir zwar weniger chic, aber dafür um einiges lustiger waren.
Nach dem Sekt hatten wir etwas Zeit zur freien Verfügung. Das war eindeutig der schwächste Teil der Hochzeit. Letzten Endes gingen wir zu sechst einen Mixer kaufen. Danach hatten wir ausgezeichneten Kaffee, durften aber leider nichts von dem exzellent aussehenden Kuchen probieren, weil wir ja eine halbe Stunde später Mittag essen sollten.
Und wieder trafen wir uns bei der Wohnung meiner Schwester (und meines Schwagers). Übrigens mussten diejenigen, die mit dem Auto fahren wollten, weil sie diverse Fußbeschwerden hatten, etwa genauso weit laufen wie diejenigen, die sich für fit deklariert hatten und zu Fuß zurück gehen wollten. Allerdings in die entgegen gesetzte Richtung. Es ist wohl überflüssig zu sagen, dass ich zu Fuß ging. Mir machte auch die Hitze als einziger nichts aus. Ich war sogar die Einzige, die morgens noch eine Strickjacke über ihr Top zog, weil ich es etwas kühl fand.
Das große Hochzeitsessen fand außerhalb in einem griechischen Bio-Restaurant statt. Ich war freudig überrascht, als ich sah, dass es so etwas wie
Skordalia gab. Das Essen war ausgezeichnet und der Service gut. Gegen Ende der Mahlzeit fragte der Besitzer nach dem Anlass für unsere Feier. Als wir ihm von der Hochzeit erzählten, hielt er eine Rede über die Ehe und das Leben und schenkte dem jungen Paar eine Flasche Wein. So kam meine Schwester doch noch zu ihrer Rede, auch wenn sie nicht vom Brautvater gehalten wurde, der zu schüchtern für öffentliche Auftritte ist. Während wir aßen gab es das lang ersehnte Gewitter und wurde endlich etwas kühler.
Nach dem Essen wurden wir etwas feucht und trafen uns wieder in der Wohnung. Dort stopften wir uns in das Wohnzimmer. Es war recht eng, aber ich war die Einzige, die auf dem Boden sitzen musste. Wir tranken Kaffee. (Ja, ich weiß, aber schließlich trinken die Deutschen mehr Kaffee als Bier pro Kopf, und wir sind ja nicht gerade dafür bekannt, Weintrinker zu sein.) Interessanterweise war erstmal niemand besonders scharf auf den Kuchen. Das könnte etwas mit dem luxuriösen Drei-Gänge-Menü zu tun haben, dass wir kurz davor zu uns genommen hatte.
Nachdem sich jeder mit seiner Kaffeetasse häuslich eingerichtet hatte, bereitete ich mich darauf vor, mein persönliches Geschenk zu überreichen. Ich wollte gerne für meine Schwester singen. Meine Möglichkeiten waren allerdings recht begrenzt, weil ich nur meine Stimme und mich hatte und ich erstaunlich wenig Liebeslieder im Repertoire habe. Vor allem solche, die gut klingen ohne Begleitung. So stand ich auf, ziemlich nervös, stellte fest, dass die wirklich enge Jeans keine so gute Wahl zum Singen war und sang "Throw it away" von Abbey Lincoln. Ich habe dieses Lied von
Rhiannon gelernt und es liegt mir sehr am Herzen. Und es ist nicht eines dieser billigen und kitschigen Liebeslieder. Es lief sehr gut, jeder hörte gebannt zu (außer natürlich meinen Eltern, die abwechselnd die Nase putzten und husteten), leider vermauschelte ich gegen Schluss mal wieder den Text. Meine Schwester fing sogar an, zu schluchzen, was ziemlich süß war, aber dann fing ich auch an und es ist etwas schwierig, zu singen während man weint. Aber eine erfahrene Sängerin wie ich singt ihr Lied trotzdem zu Ende.
Dieser hochgradig emotionale Moment wurde dann sofort von ein oder zwei witzigen Bemerkungen meiner Eltern in Luft aufgelöst, so dass wir zum unterhaltsamen Auspacken der Geschenke fortschreiten konnten. Diese enthielten folgendes:
Und jenes:
Dann wurde Kuchen gegessen. Natürlich. Dann fuhren meine Eltern und kurz darauf war es auch schon Zeit für mich den Zug zu nehmen. Ich schlüpfte wieder in Alltagsklamotten und wurde durch den strömenden Regen zum Bahnhof gefahren.
Dort hatte ich schon Angst, mein gutes Zug-Karma hätte mich verlassen, weil der Zug vierzig Minuten Verspätung hatte. Als ich an meinem Bestimmungsort ankam, war er aber nur noch 15 Minuten zu spät. So kam ich nur kurze Zeit später zuhause an, als erwartet. Es war allerdings ein ziemlich langer Tag. Nicht gut geschlafen, wach um 5.22 und zuhause um 12. Die Zugfahrt war sehr angenehm, sehr ruhig und sehr kühl. Wieder hatte ich Zeit zu denken, zu lesen, zu schreiben und Musik zu hören. Himmlisch.
Dieser Bericht von der Hochzeit meiner Schwester mag sich ja wenig aufregend anhören, aber es war genau richtig so. Alles lief glatt, ich habe nette Menschen getroffen, und es war eine sehr schöne unstressige Feier. Und natürlich ein für mich besonderer Anlass. Schließlich heiratet meine einzige Schwester nicht jeden Tag. Und ich liebe sie sehr und wünsche den beiden alles Gute.
(Schnief.)
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