Mittwoch, April 19, 2006

Frühlingsdiät - Sport hat mit Abnehmen gar nichts zu tun

Das Thema Sport hat sich für mich übrigens gewissermaßen erledigt. Erstaunlicherweise habe ich mich von einem unsportlichen Stubenhockermädchen im Laufe der letzten fünfzehn Jahre zu jemandem entwickelt, der einfach mindestens drei Mal die Woche Sport macht, weil ich einen Rappel kriege, wenn ich mich nicht bewege und dann extrem mies gelaunt werde.

Anfangs habe ich mich zu jeder Minute Sport gezwungen. Aber später mochte ich das Gefühl, etwas belastbarer zu sein, festere Muskeln zu bekommen und mich auf meinen Körper verlassen zu können. Als eine Freundin in der Schwangerschaft zu mir sagte, ich solle mich doch freuen, jetzt müsste ich keinen Sport machen, habe ich sie fassungslos angestarrt. Ich durfte nicht einmal Walken! Geschweige denn Tanzen oder Krafttraining machen. Als Mutter bin ich jetzt auf Walken und Yoga umgestiegen. Zum Walken lade ich meinen dreijährigen Sohn in den Kinderwagen und schiebe ihn in flottem Tempo eine gute halbe Stunde in der Gegend rum. Wenn ich einen Babysitter habe, dann werde ich zu einem dieser merkwürdigen Stöcke schwingenden Nordic Walker, die laut klackend den Wald unsicher machen. Yoga mache ich vor dem Computer mit Video, während mein Sohn an meinem Bein hängt und sich nicht entscheiden kann, ob er jetzt auch Yoga machen will oder nicht. Meistens beides gleichzeitig unter lautem Geschrei, während ich versuche, der beruhigenden Stimme des vorturnenden Yogis zu lauschen, und gleichzeitig mit den Leuten im Video aus- und einzuatmen. Das ist also etwas, das ich nachgewiesenermaßen auch unter widrigen Umständen hinbekomme.

Aber zurück zum Thema Diät: Ich bin ja ein echter Fan der Anti-Diät-Bewegung. Debra Waterhouse, Susan Powter (mit größer werdenden Einschränkungen) und vor allem (und ohne jede Einschränkung) Geneen Roth sind meine Heldinnen. Geneen Roth hat mir wahnsinnig geholfen, die tieferen Beweggründe hinter meiner Essstörung aufzudröseln. Ich habe Tagebücher geführt, schriftliche Übungen gemacht und wochenlang aufgeschrieben, was ich wann esse und wie ich mich dabei fühle.

Bei den meisten Leuten bewirkt das Aufschreiben schon, dass sie ihre Eßgewohnheiten ändern, weil es ihnen zum Beispiel peinlich ist, aufzuschreiben, dass sie jetzt zwei Tüten Chips gegessen haben, obwohl ihnen nur langweilig war. So einfach mache ich es mir nicht. In meinem Esstagebuch steht dann:

14.00 Uhr: habe zwei Teller Spaghetti Bolognese mit Salat gegessen, dazu drei Gläser Rotwein, danach eine halbe Tüte Gummibärchen zum Nachtisch. Fühle mich gut, etwas voll. Das Essen war köstlich, war eigentlich schon vor den Gummibärchen satt, wollte aber noch etwas Süßes.

15.30 Uhr: eine Tüte Chips, war noch pappsatt vom Mittagessen, mir war aber langweilig, und ich hatte keine Lust, die Wäsche zusammenzulegen

Mir war also schon klar, wann ich mehr aß als ich Hunger hatte, das hinderte mich bloß gar nicht daran, den ganzen Kram trotzdem zu essen.

Irgendwann im Herbst 2004 war ich es dann aber leid, mir den ganzen Tag mein Gejammer anhören zu müssen:

"Meine Güte, bin ich fett, guck dir nur mal diesen Bauch an!"

"Ich weiß, das sollte ich jetzt nicht mehr essen, ach, nur ein Stückchen, noch eins und noch eins, morgen esse ich aber bestimmt gar keine Süßigkeiten, oh, schon alles leer."

"Was, jetzt gibt es schon Abendessen, ich bin doch noch ganz voll von eben, aber ich muss ja schließlich auch mal was Vernünftiges essen..."

Ad infinitum, ad nauseam.

Ich wachte sozusagen auf und fragte mich "Ist mein Gewicht, mein Essen und meine Figur wirklich die wichtigste Sache der Welt?" "Warum beschäftige ich mich in jeder freien Minute damit, anstatt mich über meine wundervolle Familie und Beziehung zu freuen und mich darauf zu konzentrieren, endlich mal meine Musik auf den Punkt zu bringen?"

(wird fortgesetzt)
Creative Commons License
Dieser Inhalt ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert. Performancing